Diebstahl trotz Rückgabe?
Liebe Unioner,
kann einen Diebstahl begehen, wer zwar eine Sache wegnimmt, aber sie später dem Eigentümer zurückgeben will? Die Antwort mit gesundem Menschenverstand kann eigentlich nur lauten: natürlich nicht. Die Antwort mit juristischem Sachverstand lautet: grundsätzlich nicht. Und wenn ein Jurist „grundsätzlich“ sagt, denkt er vor allem an die Ausnahmen.
Schauen wir uns vor den Ausnahmen den Grundsatz an. Das Strafgesetzbuch fordert für einen strafbaren Diebstahl in subjektiver Hinsicht, dass der Täter in der Absicht handelt, die weggenommene Sache sich zuzueignen. Diese sog. Zueignungsabsicht verlangt zweierlei: Zum einen muss es dem Täter darauf ankommen, sich die Sache zumindest vorübergehend anzueignen, d.h. seinem Vermögen einzuverleiben. Das ist in Fällen, in denen der Täter die Sache dem Eigentümer zurückgeben will, unproblematisch: Denn vor der Rückgabe will der Täter die Sache schließlich für sich behalten. Das genügt. Zum anderen verlangt aber die Zueignungsabsicht, dass der Täter den Eigentümer dauerhaft enteignen, d.h. aus seiner Herrschaftsposition verdrängen will. Und genau hier liegt das Problem. Will der Täter eine Sache in sein Vermögen nur vorübergehend einverleiben und sie anschließend dem Eigentümer zurückgeben, will er ihn gerade nicht aus seiner Position verdrängen, sondern die Eigentümerposition wiederherstellen. Es liegt eine sog. Gebrauchsanmaßung vor. Und diese ist kein Diebstahl. Aber wie gesagt: nur grundsätzlich!
Was sind das für Ausnahmefälle, in denen doch ein strafbarer Diebstahl vorliegt?
- Erstens der besonders lange oder intensive Gebrauch. Man denke an die Wegnahme eines Autos, dessen Kilometerstand nach der angemaßten „Spritztour“ statt 10.000 km eine Null mehr aufweist. Hierzu zählt auch die Wegnahme von Sparbüchern oder Guthabenkarten, in denen der Täter das jeweils „aufgeladene“ Geld verbraucht. Hier führt eben der Gebrauch der Sache zu deren Verbrauch.
- Zweitens der Verlust des sog. Neuverkaufswert. Das sind Fälle, in denen eine neue Sache, etwa ein Buch oder ein Auto, gebraucht, also gelesen oder gefahren wird. Nach einem solchen Gebrauch kann der Eigentümer, also der Buch- oder Autoverkäufer, die Sache nicht mehr dafür nutzen, sie zum Neuwert zu verkaufen.
- Drittens die Preisgabe der Sache zum beliebigen Zugriff durch Dritte. Ganz krass: Der Täter will das Auto nach einer kurzen Spritztour nicht vor der Haustür des Eigentümers in Köpenick, sondern auf irgendeinem Rastplatz zwischen Fürstenwalde und Frankfurt (Oder) mit offener Fahrertür und laufendem Motor abstellen.
- Viertens die Rückgabe erfolgt unter Leugnung fremden Eigentums. Der Täter entwendet etwa den Schrott eines Schrotthändlers und verkauft ihm anschließend seinen eigenen Schrott. Der Eigentümer hat zwar seine Sache wieder, allerdings musste er sie unwissend nochmals erwerben, obwohl es bereits seine eigene war.
Diese letzte Fallgruppe ist in Rechtsprechung und Wissenschaft besonders interessant geworden; denn haben sich hierzu Ausnahmen von der Ausnahme herausgebildet. Wäre der Schrotthändler ein Hundehalter und der Täter nähme das Hündchen an sich, um anschließend den Finderlohn zu fordern, dann leugnet der Täter gerade nicht fremdes Eigentum, sondern erkennt es an. Genauso in einem Fall des Bundesgerichtshofes, in dem ein Soldat seine Dienstmütze verlor und um der Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu entgehen die Mütze eines Kameraden entwendete, um diese bei Dienstende zurückzugeben. Aber bitte nicht auf dumme Gedanken kommen: Wenn es auch kein Diebstahl ist, so liegt in den genannten Fällen ein Betrug vor. Straffrei auszugehen, widerspräche dem gesunden wie dem juristischen Menschenverstand.
Punktefrei möge es aber heute gerne für den Brausehersteller ausgehen!
Eisern Union!
Dirk Gräning
Rechtsanwalt